Wild ist er allemal der wilde Freiger in Südtirol. Und ein waschechter Grenzgänger – trennt er doch die Staaten Österreich und Italien. Wir sind über die Teplitzer Hütte aufgestiegen und über den roten Grat wieder zurückgewandert. Eine durchaus fordernde Tour, die uns Bescheidenheit lehrte.
Hard Facts:
- 3418m über dem Meeresspiegel
- 1000 hm + 12 km
- ca. 9h Gehzeit
- Anstieg von Süden
- Abstieg über den Roten Grat
- keine Eisausrüstung notwendig (im Norden schon!)
- anspruchsvolle Tour – Bergerfahrung notwendig
Auf dem Carl-Sonklar-Weg Richtung Becherhaus

Nach einer etwas unruhigen Nacht auf der Teplitzer Hütte (im Lager fand ein Schnarchkonzert statt) tun die ersten Sonnenstrahlen des Tages ein bisschen weh obwohl sie so schön sind und die Motivation ist gering. Nach Sonnenaufgang schauen und dem ausgiebigen Frühstück geht´s auf dem Carl-Sonklar-Weg Richtung Becherhaus. Ich bin gespannt, denn das Becherhaus ist die höchste Schutzhütte Südtirols.
Der Weg hat eine angenehme Steigung und die Blicke auf den Übeltalferner sind grandios. Wir passieren blitzblaue Seen, die Sonne scheint uns ins Gesicht. Nach ca. 5 Kilometern müssen wir ein großes Schneefeld überqueren, um zum Aufstieg zum Becherhaus zu gelangen. Über uns schwirrt ein Hubschrauber und fliegt immer wieder in die Scharte über uns. Unser erster Gedanke ist, dass sie bei den Versorgungsflügen etwas verloren haben, das sie jetzt suchen – das sollte sich als falsch herausstellen.
Zur höchsten Kapelle Europas
Ab hier wird es steil und seilversichert. Es sind ziemlich viele Menschen unterwegs, oft müssen wir ausweichen. Schließlich ist das erste Teilziel erreicht: Das Becherhaus. Und der Blick ist gigantisch: man sieht über den ganzen Übeltalferner, kann Spalten erkennen, ab und zu sieht man eine Gruppe am Seil bei der Gletscherüberquerung. Auf der Terrasse des Becherhaus machen wir einen kurzen Zwischenstopp und genießen den Ausblick. Wir sehen auch schon unser nächstes Teilziel: den Signalgipfel.



Wir werfen noch einen kurzen Blick in die Marienkapelle (3.195m), sie ist die höchste und einzigartigste Kapelle Europas. Innen ist sie holzverkleidet und mit Bildern und Heiligenfiguren dekoriert.
Wir werfen noch einen kurzen Blick in die Marienkapelle (3.195m), sie ist die höchste und einzigartigste Kapelle Europas. Innen ist sie holzverkleidet und mit Bildern und Heiligenfiguren dekoriert.
Nach dem Becherhaus geht es kurz bergab über die Sisi-Treppe zur Becherscharte (3.156 m). Weglos geht´s am Grat weiter über verblocktes Gelände. Trittsicherheit ist unbedingt erforderlich, ab und zu erfordert der Weg auch Kletterpassagen.
Leichte Kletterei zum Gipfel
Die letzten 200 Höhenmeter sind sehr fordernd, durch die dünnere Luft auch sehr anstrengend. Unser erstes Ziel ist der Signalgipfel (3392m), der vor dem Wilden Freiger liegt. Noch dazu kommt an diesem Tag starker Wind. Wir ziehen die Jacken an kämpfen uns voran, teilweise ist der Wind wirklich stark. Der Weg ist die ganze Zeit ausgesetzt, Konzentration ist durchgehend erforderlich.

Als wir dann am Gipfel stehen, ist das Gefühl grandios. Wir genießen den 360° Blick – überall nur Berge, viele Gletscher, unendliche Ruhe. Glücksgefühle durchströmen mich, was für ein toller Gipfelsieg!


Wir bleiben nicht lange am Gipfel, der Wind ist zu stark und macht es kalt. Wir wollen über den roten Grat zurück gehen, überlegen kurz ob die Bedingungen es zulassen und machen uns schließlich auf den Weg Richtung Gipfel „Roter Grat“ (3098m).
Starker Wind am „Roten Grat“
Der Weg ist sehr schmal und auf beiden Seiten stark abfallend. Fehler darf man sich keine erlauben, der Wind macht es nicht besser, aber langsam lässt er nach. Wir erreichen die Freigerscharte und nehmen den Gipfel Roter Grat noch mit.



Auch hier geht es über Blockgelände – große Steinplatten, die verkantet sind. Kurz ein Gipfelfoto und weiter geht´s runter Rotgratscharte. Es geht steil bergab, unter uns glitzert ein tiefblauer Gletschersee auf 2850m. In Serpentinen geht es weiter bergab, meine Füße tun schon sehr weh, nach der gestrigen anstrengenden Wanderung über die sieben Seen auf die Teplitzerhütte. Nach langem Jammern und weiter Bergab gehen, sehen wir den Vogelhüttensee.
Kaltes Wasser, schmerzende Füße
Wir steigen weglos zum See ab, der Hüttenhund der Teplitzerhütte begleitet uns. Die anderen aus der Gruppe ziehen sich aus, den Bikini an und stürzen sich in das 5 Grad kalte Wasser. Nichts für mich. Ich ziehe mir die Schuhe aus und tippe meine Zehen hinein – viel zu kalt. Trotzdem tut die Erfrischung gut und meine Füße tun nicht mehr ganz so weh.

Wir machen uns auf den Rückweg zur Hütte, wo wir gleich auf der gemütlichen Terrasse Platz nehmen. Der Ausblick verblüfft uns erneut, nach diesem Tag schmeckt das Bier besonders gut. Der Hüttenwirt setzt sich zu uns und erzählt uns dann, dass es leider einen tödlichen Unfall gab, ein junger Mann ist am roten Grat in den Tod gestürzt. Wir dürften am Vormittag wohl die Bergungsarbeiten gesehen haben. Und wieder wird uns bewusst, wie nah Glück und Leid beinander liegen. Eine tiefe Dankbarkeit erfüllt mich, dass ich diesen Tag erleben durfte, meine Gedanken sind bei dem jungen verstorbenen Bergkollegen. Bitte passt auf euch auf und tut euer bestes um euch auf Bergtouren vorzubereiten – nehmt genug Verpflegung mit, wählt Touren aus wo ihr sicher seit, dass ihr sie schafft, achtet auf eure Ausrüstung. Berg Heil!
Seit ihr hier schon Mal am Gipfel gestanden? Wie ist es euch dabei ergangen?
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